Anreise nach Bastia
Aufbruch
Natürlich ist alles anders gekommen als eigentlich geplant, aber dafür sind Pläne schließlich da. Um nicht zu funktionieren. Aus irgendeinem Grund ist mein Handywecker nicht um 4:30 losgegangen wie eingestellt sondern einfach gar nicht. Ich bin dann von selbst um 6:20 aufgewacht. Weil ich aber meinen Zeitplan sowieso sehr großzügig bemessen hatte war das kein Problem. Nur der vorsorgliche letzte Check vor dem Aufbruch ist auf diese Weise, dank meiner Hektik, auf der Strecke geblieben.
Salzburg – Brenner
Duschen und Morgenpflege erledige ich im Schnelldurchlauf und fahre raus zu meinem Motorrad, einen letzten superschnellen Kaffee, dann los. Meine treue private Regenwolke hat mir auch die Stange gehalten, bei Rosenheim und dann noch einmal kurz vor Kufstein. Intuitiv habe ich davon abgesehen das Regengewand anzulegen. Das kostet immer super Zeit. Wenn es dann nur einen kurzen Schauer gibt der gleich wieder dem schwülen Wetter weicht das wir eben mal haben, dann ist man in kürzester Zeit auch von innen nass wenn man nicht sofort wieder stehen bleibt um sich aus dem Zeug zu schälen. Mühsam!
Na gut, so bin ich eben kurz nass geworden und zum Glück hat das Wetter gehalten. Der Fahrtwind bläst einen dann in „windeseile“ trocken. Das funktioniert wirklich wie ein Haarfön. Über den Brenner war’s noch etwas kühl, aber nicht kalt und in Südtirol sind die Temperaturen dann stetig nach oben gegangen und haben ihren Höhepunkt schließlich zwischen Piacenza und Tortona gefunden wo mein Thermometer während der Fahrt bei etwa 130km/h, es handelt sich um keinen Tipp oder Lesefehler: 36,5° angezeigt hat. Das war FAST Rekord. Da hilft auch Fahrtwind nicht mehr zur Kühlung.
Brenner – Genua
Am Brenner staune ich: Unglaublich welche Massen an Fahrzeugen sich gen Süden schieben. Wie eine Völkerwanderung, wirklich! Schlangen an der Tankstelle, Schlangen an der Raststätte, Schlangen überall! Engländer, Holländer, Deutsche, Dänen (die treuen Begleiter! wo auch immer man hinfährt: Deutsche und Holländer sind garantiert schon da!)….ich bin fasziniert!
Meine Kombi von Hein Gericke hat sich als ausgezeichnet herausgestellt. Das System der Belüftung funktionieren tatsächlich. Das erste mal bei einer Kombi die ich besitze, in all den Jahren. Das Gute ist: wenn man erstmal komplett durchgeschwitzt und so richtig nass ist, verliert sich auch das „dreckig sein“ Gefühl irgendwann. Man ist dann einfach nur mehr nass. Die Hitze ist feucht, in der Luft liegt Gewitter. Es ist diesig.
Die Kilometer gen Süden ziehen sich immer wahnsinnig. Ich empfinde es wenigstens so. Die Autobahn in Italien ist super ausgebaut und am Sonntag über weite Strecken wenig befahren. So stell ich mir das prinzipiell vor. Kein Vergleich zu unseren 2 spurigen, überfrequentierten und letztlich auch überteuerten Autobahnen. Bei uns wird immer weiß Gott was für ein Theater gemacht über Qualität des Belags usw., aber andere können das offenbar mindestens genau so gut! Es ist unglaublich monoton so dahin zu rollen. Man hängt seinen Gedanken nach, der Popo juckt da und es zwickt dort, Füße rauf, Füße runter und denken! Denken, denken und nochmal denken.
Die letzten Kilometer vor Genua haben es dann in sich. Die Streckenführung ist so abenteuerlich, daß man nicht glauben würde auf einer Autobahn zu sein, wenn man es nicht wüsste und zu dem Zeitpunkt der Fahrt ist das besonders anstrengen. Nach 8 Stunden Fahrt, wenn die Autobahn extreme Kurven hinlegt und dann noch viel Verkehr ist (hier ist bereits die Metropolregion Genua) wird es wirklich anstrengen. Dafür klärt sich das Wetter, der Wind vom Meer treibt die feuchten, heißen Luftmassen ins Hinterland und macht den Himmel frei.
Verschiffung in Genua
Den Hafen in Genua habe ich leicht gefunden, aber nicht die Einfahrt. Unmißverständliche Ausschilderungen stell ich mir anders vor. Immerhin funktioniert das Einchecken dann absolut perfekt. Ich war mir zwar nicht 100% sicher überhaupt in der richtigen Schlange zu stehen, denn in Genua legen nicht nur Moby Fähren nach Korsika ab sonder auch Fähren anderer Anbieter mit Destinationen nach Sardinien oder Tunesien z.B., aber alle werden in der selben Auto/Motorradkolonne abgefertigt. Das ist ja auch ok, nur sollte es auch irgendwo kundgetan werden, finde ich jedenfalls. Wie auch immer, als einziges Malheur ist zu verzeichnen: Bei der Passkontrolle stell ich kurz den Motor ab und kippe mein Motorrad auf den Seitenständer. Hinter mir bleibt ein weiteres Motorrad stehen und wartet auf seine Abfertigung. Ich darf weiter, starte meinen Eisenhaufen wieder, es gibt ein „Puff“ und mein Hintermann verschwindet in einer unsäglich stinkenden Ölrauchwolke. Tjo, das sind die Eigenheiten eines Boxermotors. Trotzdem peinlich…mir jedenfalls…. Ich dreh mich um und suche den Blick des anderen Fahrers. Aber den Hintermann scheint es nicht weiter zu stören. Offenbar ist er in irgendeine Diskussion mit seiner Sozia verwickelt…
Einweiser geleiten mich schließlich zu meinem Warteplatz. Am Stellplatz finde ich Kontakt zu Markus, einem Bayern der ebenfalls mit seinem Motorrad auf dem Weg nach Korsika und im Anschluss nach Sardinien ist. Er hat den unschätzbaren Vorteil kein zeitliches Limit zu haben. Toll finde ich sowas! Frühruhestand sein Dank. Dafür hat er mit anderen, viel schwerwiegenderen Problemen zu kämpfen. Mangelnde Zeit spielt bei ihm auf jeden Fall eine Rolle, aber anders. Ich ziehe meinen Hut. Da möchte ich doch nicht tauschen.
Wir werden angehalten unsere Motorräder in Nischen am Rand des Verladedecks abzustellen. An den Seiten sind überall Seile zum vertäuen angebracht. Das Motorrad muß auf den Seitenständer, ein Gang (wenn vorhanden) eingelegt und dann das Motorrad mit jeweils zwei Seilen in der Position fixiert werden. Ein Einweise kontrolliert und korrigiert ggf. die Befestigung.
Genua – Bastia
Die Fähre von Moby Lines, mit der freundlichen Bemalung, macht einen ordentlichen Eindruck. Nichts ist desolat und Alles wirkt gut gepflegt. Um 00:30 schließlich setzt sich das Schiff unter dumpfem Vibrieren mit Kurs auf Korsika in Bewegung. Die Energien die hier freigesetzt werden sind schon beeindruckend! Ich gönne mir auf dem Lido Deck ein Pietra Bier während ich die Ausfahrt aus dem Hafen beobachte.
Pietra ist eine korsische Biermarke und wird mit Maronenmehl hergestellt. Ich kann Bier nicht besonders leiden, aber das will ich dann doch probieren. Offenbar wird dem Bier an Board des Schiffes Gold hinzugefügt, denn eine kleine Flasche kostet 6 Euro! Aber das gönn ich mir trotzdem. Nach 18 Stunden auf den Beinen, am Ende meiner Kräfte und verschwitzt wie selten, vermisse ich eine Dusche. Es gibt aber keine Duschgelegenheit. Also such ich mir einen netten Platz am Boden, verwende meinen Rucksack als Kopfkissen und schlafe um 02:00 wirklich ein. Erst um 6:00 wache ich wieder auf. Hätte nicht erwartet hier schlafen zu können.
Ankunft in Bastia
Ich beobachte die Sonne und das in Sicht kommende Bastia. Da bin ich also! Das Abladen ist problemlos. Ich besorge mir keine 50m vom Hafen entfernt in einer Boulangerie ein Croissant und ein pain au chocolat und suche mir eine Bar am Hafen wo ich das ganze zu einem Café au Lait und einem Menthe à l’eau verputze.
Genauso liebe ich es und das werde ich wohl noch wiederholen. Die ganze Situation löst einen Erinnerungssturm in meinem Kopf aus. Es wird mir ganz deutlich bewusst daß ich in der Vergangenheit solche Momente wohl oft nicht bewusst genug erlebt und gewürdigt habe. Markus gönnt sich gleich ein ganzes Frühstück, ich glaube mit Croissants kann er nicht allzuviel anfangen, schon eher mit scrambled eggs und Beilagen. Sehr untypisch französisch. Der Franzose ißt zum petit-déjeuner (wörtlich das kleine Fastenbrechen) eher Wenig bis Nichts und gönnt sich zu seinem Café au lait vielleicht etwas Baguette mit Butter, eventl. ein Croissant. Aber egal, jeder wie es ihm behagt. Wir verabschieden uns und ich fahre über die D31 und die D80 los Richtung Cap Corse.